Wie Sport und Bewegung unser Abwehrsystem positiv beeinflussen kann
In unserem Abwehrsystem wirken zahlreiche Moleküle, Botenstoffe und komplexe Prozesse, wie wir in Teil 1 zum Thema Immunsystem bereits erfahren haben. Doch nicht nur zahlreiche Nährstoffe übernehmen wichtige Funktionen bei unserer Abwehr, Studien belegen: Körperliche Aktivität und Sport können unser Immunsystem sowohl kurzfristig als auch langfristig modulieren und regulieren. Welcher Sport, der richtige für unser Immunsystem ist, wie intensiv dieser sein sollte und was genau in unserem Körper passiert, lesen Sie hier.
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Wie wirkt körperliche Aktivität auf das Immunsystem?
Mobilisierung der Immunzellen
In Ruhe sind etwa die Hälfte der sich im Blut befindlichen Immunzellen in Bewegung und die andere Hälfte haftet an den Gefäßwänden. Schon kurz nach Beginn der Aktivität werden die meisten abgelöst und zirkulieren im Blut. Dies liegt u. a. an der Wirkung des Adrenalins, welches durch Sport ausgeschüttet wird. Es befinden sich dabei nicht nur mehr Immunzellen im Blut, diese sind zudem aktiver, reagieren und funktionieren besser. Nach dem Sport werden zwar die Ausgangswerte schnell wieder erreicht, allerdings trainieren wir so unsere Abwehrzellen.
Reduktion von Entzündungsreaktionen
Die Muskelaktivität stößt diverse immunprotektive Prozesse im Körper an und verringert Entzündungsreaktionen im Körper. Der Skelettmuskel wird auch als „sekretorisches Organ” bezeichnet, da er Botenstoffe absondern kann, die u. a. wichtig für das Immunsystem sind. So wird durch Muskelaktivität die Bildung anti-inflammatorischer Zytokine gefördert und die Bildung pro-inflammatorischer Zytokine gesenkt. Insgesamt kommt es durch Sport zu einer Verschiebung der Freisetzung von pro-inflammatorischen zu anti-inflammatorischen Zytokinen, was für den gesamten Organismus von Bedeutung ist. Zytokine sind kleine Proteine, die das Wachstum und die Teilung von Zellen regulieren, z. B. von Abwehrzellen.
Abbau von Stresshormonen
Stress ist eine wichtige Reaktion unseres Körpers auf verschiedene Belastungssituationen. Der Körper schüttet große Mengen der Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol aus, mit dem Ziel, den Körper kurzfristig leistungsfähiger zu machen. Folgt auf eine Belastung allerdings keine angemessene Kompensation, kommt es zu Dauerstress, der u. a. unser Immunsystem schwächt.
Sport stellt zunächst auch erst eine Belastung für unseren Körper dar. Daher werden auch hier Stresshormone produziert. Allerdings schüttet der Körper ebenso die Hormone und Botenstoffe Endorphine und Serotonin aus, welche die Wirkung der Stresshormone neutralisieren. Zudem trainiert Sport die Ausschüttung der Stresshormone und macht uns so stressresistenter.
Wie sollte ich trainieren, um mein Immunsystem zu stärken?
Eine Häufigkeit von 3 - 5 Mal pro Woche für 30 - 60 Minuten gilt als ideal. Dabei sollte ein Wochenumfang von mindestens 150 Minuten erreicht werden. Trainingseinsteiger sollten es allerdings langsamer angehen lassen. Hier wird empfohlen mit 15 - 20 Minuten zu starten und sich kontinuierlich zu steigern.
Von Ausdauertraining und / oder moderatem Krafttraining profitiert das Immunsystem am besten. Besonders gut ist eine Kombination aus beiden Trainingsarten.
Die Intensität sollte als leicht bis mittel eingestuft werden. Das entspricht 60 - 70 % der maximalen Herzfrequenz (ca. 100 - 130 Schläge pro Minute) oder einer subjektiven Einschätzung von 4 - 6 auf einer Skala von 1 - 10.
Der Körper benötigt eine ausreichende Erholung zwischen den Einheiten. Versuchen Sie eine Regenerationszeit von etwa 24 bis 48 Stunden einzuhalten, damit der Körper optimal wiederhergestellt ist.
Generell gilt für das Training unseres Immunsystems: Besser moderat und regelmäßig als intensiv und gelegentlich.
Tipp: Besonders gut wird das Immunsystem bei Sport im Freien stimuliert, z. B. beim Radfahren, Walken, Joggen oder Skilanglauf. Auch bei niedrigen Temperaturen um den Gefrierpunkt ist Training draußen in der Regel kein Problem. Wichtig ist die richtige Kleidung. Vor allem das Zwiebelprinzip ist hier ratsam. Dabei kann man nicht nur durch an- oder ausziehen einzelner Schichten die richtige Menge an Kleidung für sich finden, sondern es hält auch beweglich und die Körperwärme wird konserviert. Versuchen Sie durch die Nase einzuatmen, damit die kalte Luft erst erwärmt wird bevor sie die Lunge erreicht.
Was passiert, wenn ich zu intensiv trainiere?
Wie oben bereits beschrieben, erhöht sich durch die Ausschüttung des Adrenalins durch den Sport die Zahl der Immunzellen im Blut. Intensiverer Sport führt zu einer höheren Hormonausschüttung, was wiederum zu einer größeren Anzahl an Immunzellen im Blut führt.
Hochintensive und erschöpfende Belastungen scheinen sich hier negativ auf die Funktionalität des Immunsystems auszuwirken. Nach einem solchen Training wurde beobachtet, dass die Anzahl der Immunzellen unter ihr Ausgangsniveau absinkt und einige Zellen in ihrer Funktion beeinträchtigt sind.
Dieser Effekt kann für mehrere Stunden anhalten und wird als „open window”-Phänomen bezeichnet. Es gilt: Je intensiver das Training umso länger ist das Immunsystem geschwächt. In dieser Phase steigt die Infektanfälligkeit v. a. der oberen Luftwege. Erreger können den Organismus leichter angreifen, da die Funktion des Immunsystems herabgesetzt ist. Dieser immunsuppressive Effekt kann beispielsweise nach sehr langen Trainingseinheiten, intensivem Intervalltraining oder erschöpfenden Tempoläufen auftreten.
Zudem kann bei dauerhaft zu hohen Trainingsintensitäten und -umfängen zu viel Stress im Körper entstehen, der das Immunsystem überlastet und dessen Funktionalität herabsetzt. Auch zu geringe Regenerationszeiten zwischen Einheiten können das Immunsystem beeinträchtigen.
Hinweis: Sie fühlen sich nicht 100 Prozent fit? Dann ist Ihr Immunsystem vermutlich schon leicht geschwächt und Sie sollten lieber eine Trainingspause einlegen. Im Winter sollte auch eine leichte Erkältung Ernst genommen werden. Das Immunsystem sollte zunächst seine Arbeit erledigen und benötigt dafür körperliche Ruhe.
Literatur
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Bildquelle: www.unsplash.com
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